Ba-boomErschrocken sprang der gemusterte Kater auf die Pfoten, ließ seine tiefen blauen Augen aufmerksam wandern und legte anschließend die Ohren an. Irgendetwas stimmte nicht. Mit der Pfote versuchte er den Leib neben sich zu wecken, während seine Sinne begannen die Umgebung nach irgendwelchen alarmierenden Geräuschen abzusuchen. Er war sich sicher, es krachen gehört zu haben. Irgendwo neben ihm rappelte sich noch jemand auf, das Licht der untergehenden Sonne ließ die bernsteinfarbenen Augen seines besten Freundes golden Funkeln. „Bleib bei ihr, ich schau mich draußen mal um!“ Damit war der helle Kater bereits aus seinem Sichtfeld verschwunden. Trotzdem nickte er der muskulösen Gestalt hinterher und beugte sich anschließend herab, um mit der Zunge sanft über den entspannten Körper zu streichen, der sich in der Nacht wie selbstverständlich an ihn geschmiegt hatte.
Sanft flatterte sein Herz, während er bemerkte, wie sie begann sich langsam zu bewegen und ihre wundervollen goldgelben Augen zu öffnen. „Was denn?“ Miaute sie leise, streckte sich und lächelte anschließend sanft zu ihm hoch. „Wir haben draußen etwas gehört und ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache.“ Ehrlich blinzelte er seine Gefährtin an, strich mit seiner Nase anschließend wie selbstverständlich an ihrer Kieferpartie entlang und lehnte seine Stirn anschließend gegen ihren – mittlerweile – leicht geschwollenen Bauch. Nicht mehr lange und sie würde für einige Monde nichtmehr an seiner Seite schlafen können. Dieser Umstand ließ ihn jedoch lediglich liebevoll Grinsen. „Und deswegen weckst du mich auf?“ Mit einem unzufriedenen Gesichtsausdruck fauchte sie ihn an, doch leuchtete in ihren Augen dieselbe Liebe wie in den seinen. „Außerdem geht die Sonne bald unter, wir wollten doch einen Spaziergang im Mondlicht machen, du erinnerst dich?“ Schmunzelnd half er der Liebe seines Lebens auf die Pfoten, bevor er einen kurzen Blick zum Bauausgang schweifen ließ.
Ba-boomHeftig hämmerte ihm das Herz in der Brust, während es irgendwo außerhalb erneut laut krachte. Erschrocken fuhr die zierliche Gestalt neben ihm zusammen und schützend stellte der Kater sich vor sie, knurrte tief ins Nichts und erkannte, wie sich nun weitere Leiber neben ihnen erhoben. Langsam schien auch die letzte Katze wachgeworden zu sein. „FEUER!“ Brüllte jemand, ein schwarzer Kopf erschien am Baueingang, panische Angst in seinem Blick. „Wir müssen unbedingt hier raus!“ Sofort setzten die Katzen sich in Bewegung, strömten aus dem engen Ausgang und mitgerissen landete das Liebespaar auf dem Lagerplatz. Hitze schlug auf sie ein, orangene Flammen loderten in der Ferne und schienen immer näher zu kommen. Katzenschreie hallten über den Platz, angespannt stellte sich das Fell des gemusterten Katers auf, welcher sich wie selbstverständlich zwischen seine Gefährtin und die gefährliche Hitze stellte. Ernst blickte er sie an, Angst zeigte sich in seinen blauen Augen, doch war seine Statur angespannt und entschlossen. „Nein.“ Hauchte sie leise, schüttelte wild den Kopf, da sie ganz genau wusste was ihr Partner vorhatte. „Mein bester Freund ist da draußen. Ich beschütze die Katzen, die mir wichtig sind. Und du bist eine davon.“ Ernst legte er die Stirn in Falten, lächelte dann jedoch. „Was auch immer heute passieren wird. Ob ich sterbe oder nicht. Ich werde dich wiederfinden. Wenn nicht in diesem Leben, dann im nächsten. Das verspreche ich dir!“
Einen Augenblick zitterte seine Stimme, bevor er sich nach unten lehnte und seine Nase gegen die Ihre stoßen ließ. „Ich möchte, dass du wegläufst. So schnell und so weit du kannst. Lass den Wald hinter dir und halte erst an, wenn du nicht mehr kannst. Ich finde dich.“ Heftig zitterte die Stimme des Kriegers, der trotz der Angst dem Tod ins Auge blickte. „Ich liebe dich.“ Miaute sie leise, senkte den Blick und drehte anschließend auf den Ballen herum, um wie vom Blitz getroffen zwischen den Sträuchern in der einkehrenden Dunkelheit zu verschwinden.
I'll wait up for you, dear~~~~~~~~~~~
Ab diesem Punkt wurde alles anders. Das Clanleben. Ausgelöscht. Die Katzen. Vollkommen auseinandergetrieben. Immer mal wieder begannen die Nachfahren der ehemaligen Clankrieger sich zusammenzurotten, nur, um sich einige Blattwechsel später wieder zu trennen. Es gab kaum genug Beute für einen ganzen Clan und auch nicht genug Platz, um sich irgendwo niederzulassen. Die größten Teile des Waldes waren verbrannt und es würde noch Dekaden dauern, bis die ersten grünen Pflanzen wieder einen Weg zurück in das Territorium finden würden. Es gab nur wenige Plätze, die nicht von dem verheerenden Feuer vernichtet worden waren und um diese gab es harte Revierkämpfe kleiner Katzengruppen.
„Blitz, jetzt mach, dass du wieder herkommst du bescheuerter Fellhaufen!“ Rief eine tiefe Stimme, Pfoten trommelten, während ein kleiner goldener Kater durch das zerstörte Unterholz schoss und dabei die wenigen Vögel aufschreckte, die sich überhaupt noch in der Gegend blicken ließen. Direkt hinter ihm ein ebenfalls heller Kater, dessen cremefarbenes Fell im Licht der Wintersonne aufflammte. Der kleinere der beiden jaulte amüsiert auf, beschloss noch etwas schneller rennen zu wollen und sprang mit einem Satz über einen umgefallenen Baumstamm. An diesem Morgen hatte es das erste Mal geschneit und das musste der junge Kater natürlich für sich ausnutzen. Das fand wiederum sein Vater nicht unbedingt supergut, denn setzte der in einem erschreckendem Tempo hinter dem kleinen Ausreißer her und bellte ihn sprichwörtlich an stehenzubleiben.
Vergnügt sprang Blitz zwischen den Bäumen umher, benetzte sein Fell mit einer Schicht Ruß und schaffte es so nach einiger Zeit des Richtung Wechselns tatsächlich Funke auszuweichen, der knurrend zu seiner restlichen Familie zurückkehrte und sich die Schneeflocken aus dem Pelz schüttelte, die sich während seines kurzen „Spaziergangs“ in seinem stacheligen Fell verfangen hatten. Verdreckt, aber glücklich suchte der junge Kater sich nun weiter einen Weg durch das Territorium, welches ihm noch völlig unbekannt war. Natürlich war er bereits unterwegs gewesen, doch gab es nicht viel zu sehen, da die gesamte Umgebung lediglich verkohlt und schwarz aussah. Doch seit einigen Tagen war es, als zerrte etwas an seinem Fell, brachte ihn dazu immer in dieselbe Richtung zu gehen und etwas Neues zu entdecken. Zumindest interpretierte er das so.
Nun, wo er seinem Ziel – den Ort, den sein Innerstes so sehr begehrte – immer näherkam, begann sein eigener Herzschlag beinahe sofort sich zu beschleunigen. Irritiert schüttelte Blitz seinen Kopf, biss die Zähne zusammen und beschleunigte seine Schritte. Er konnte einfach nicht umkehren. Er musste sehen, wo sein Unterbewusstsein ihn hinführen wollte. Nach wenigen Minuten des stumpfen geradeaus-sprintens kam ein dunkel verrußter Platz in Sicht. Der Boden war in Form einer runden Lichtung plattgetreten und einige hohle Felsen ließen sich entdeckten, wenn man sich etwas genauer umsah. Außerdem einige angebrannte Brombeersträucher und ein großer, von einem gut erhaltenen Weißdornbuch umwachsenen Stein, der in der Mitte der Lichtung in die Höhe ragte. Mittlerweile lag der Schnee deutlich höher, er konnte kaum noch sehen wohin seine Pfoten ihn eigentlich trugen, während das warnende Schwarz der Umgebung beinahe völlig im unschuldigen Weiß des Schnees verschwand. Kühl blies ihm ein starker Wind ins Gesicht, ließ ihn frösteln, doch dachte Blitz nicht einmal im Traum daran wieder umzukehren.
Ba-boomPlötzlich blieb ihm jeder Atemzug in der Kehle stecken, sein Herz sprang ihm schier aus der Brust und er drehte sich herum, bevor seine anderen Sinne überhaupt hätten merken können, dass sich noch jemand hier befand. Bunt gemustertes Fell tauchte zwischen zwei Bäumen auf und fest biss der junge Kater die Zähne zusammen. Warum war er bloß alleine losgelaufen? Wäre es besser gewesen, wenn sein Vater bei ihm gewesen wäre? Oder einer seiner Onkel? Jetzt war er hier ganz auf sich allein gestellt mit einer fremden Katze, die ihm sonst etwas antun könnte. Aber irgendwie ging von dem anderen Kater keine Angriffslust aus. Nicht so, wie er es von den anderen Streunern kannte, die er in seinem Leben bereits getroffen hatte.
Viel mehr spürte Blitz eine gewisse Neugierde von dem anderen Kater ausgehen und trat vorsichtig etwas näher heran. „Wer bist du?“ Miaute er leise, war sich jedoch sicher, dass der Gemusterte ihn verstanden hatte. „Das sollte ich lieber dich fragen. Wieso bist du hier?“ Einen Sprung später war er ihm bereits deutlich näher und tiefe blaue Augen schienen direkt durch ihn hindurchzublicken. „Ich… ich weiß es nicht genau. Meine Schritte haben mich einfach hergeführt.“ Blitz zuckte mit seinen Schultern, legte den Kopf schief und lächelte vorsichtig. „Meinst… meinst du das ernst?“ Nun zeigte sich ein leichtes Zittern in der Stimme des größeren Katers, der noch etwas nähergekommen war, und nun quasi direkt vor ihm stand. Der Angesprochene nickte nur und leckte sich angespannt über die Schnauze. „Ich komme seit Monden hier her. Jeden Tag, weil mein Herz das von mir verlangt. Als wäre es ein körperliches Bedürfnis hier zu sein… um auf etwas zu warten.“ Eine gewisse Unruhe zeigte sich in den tiefen Augen des Fremden, was Blitz lediglich schnauben ließ. Irgendwie verstand er tatsächlich, wovon er Andere sprach.
„oder auf jemanden.“ Beendete er den Satz, ohne es wirklich zu realisieren, wobei er dem geschockten Ausdruck auf dem Gesicht des gemusterten Katers traf. „oder auf jemanden.“ Erwiderte er nur, schluckte schwer und wandte dann den Blick ab. „Wie heißt du?“ Platzte es schließlich aus dem Jüngeren hervor, bevor er unruhig mit den Pfoten scharrte. „Hurrikan, und du?“ Seine Stimme war tief und ruhig, versprach ihm jedoch zwischen den Zeilen eine Welt der Abenteuer und irgendetwas an ihm zog den jungen Kater zu ihm. Er hatte keine andere Wahl als noch einen Schritt näher heranzutreten. „Ich bin Blitz.“ Flüsterte er, schüttelte den Kopf und wandte schließlich den Blick ab. „Schön dich kennenzulernen, Blitz.“ Sofort schoss ein heftiger elektrischer Stoß durch den Körper des getigerten Katers als sie sich das erste Mal Berührten. Erschrocken zuckte Blick zusammen, sah panisch zu Hurrikan auf, welcher seinen Blick mit der gleichen Angst erwiderte. Flammen zeigten sich vor ihren inneren Augen. Schmerz und Angst vermischten sich zu einem gemeinsamen Gefühl, bevor das Schreien von unendlich vielen Katzen ihre Sinne betäubte. Nach Atem ringend gruben sich Krallen in die gefrorene Erde, der Schnee bereits wieder vollkommen vergessen.
„Hast du…?“ „Ja.“ Hurrikan blinzelte, legte die Ohren an und schlug mit dem Schweif. „Bitte komm morgen wieder her. Sobald die Sonne untergeht. Ich würde dir gerne etwas zeigen.“ Damit lehnte der Gemusterte sich vor, grinste frech und leckte ihm einmal in einer spontanen Geste der Zuneigung quer über die Ohren. „Ich… ja!“ Hörte Blitz sich selbst sagen, bevor er zum Abschied den Schweif hob und den filigranen Körper mit den exotischen Flecken zwischen den Bäumen verschwinden sehen sah. Mit rasendem Herzschlag wandte der junge Kater sich ab, seufzte leise und begann dann schallend laut zu lachen. Funke würde ihn umbringen, wenn er noch öfter aus ihrem Zuhause verschwand. Und wenn er erfuhr, dass er das tat, um einen vollkommen fremden Kater zu treffen, der sich nach so kurzer Zeit schon gar nicht mehr so fremd anfühlte würde sein Vater ihn wohl mit eigenen Krallen umbringen. Aber so wie sein Blut kochte und sein Herz raste… er hatte keine andere Wahl. Alles an ihm brannte danach diesen Kater noch einmal zu treffen und herauszufinden, was dieser in der Zukunft für ihn bereithielt. Denn noch nie hatte Blitz sich sicherer gefühlt.
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Dystopia - Soulmate - Santa Baby