ehem. SC / WiC - Post 92 - ehem. Krieger
Cf.: WindClan-Lager [WiC-Territorium]«
Der Weg vom WindClan-Lager bis zum Kiefernwald war ein weiter gewesen. Zumindest für einen alten Kater, der nach einem schwerwiegenden Ereignis lange Zeit nur in seinem Lager gehockt und sein Dasein gefrustet hatte. Seine Muskeln waren nicht so kräftig, wie noch vor einigen Blattwechseln, seine Sinne abgestumpft. Er hatte die Nacht für seine Reise ausgesucht, da er sich nachts am wohlsten fühlte und am besten auskannte. Erschreckenderweise musste Schiefersturm allerdings feststellen, dass die Nacht in diesem fremden Territorium nicht so leicht zu manövrieren war, wie er es sich erhofft hatte.
Schon bald wurde der dunkle Kater hungrig, doch die Beute auf diesem Land war ihm viel zu schnell. Frustriert hatte er versucht, ein Kaninchen zu jagen, doch immer, wenn er geglaubt hatte, dass er es
jetzt packen konnte, flitzte es davon. Müde und hungrig hatte er deshalb aufgegeben.
Welchen Weg der alte Kater gegangen war, wusste er selbst nicht. Schiefersturm hatte sich im WindClan-Territorium nie umsehen können und somit war der Weg zum Donnerweg wohl ein sehr viel längerer, als er hätte sein müssen. Bis er den Donnerweg gefunden hatte, verging gewiss die halbe Nacht. Schiefersturm hatte zwar versucht, die Hochfelsen als Orientierung zu nehmen, doch je nachdem wie sehr sich der Himmel zuzog, verlor auch er die Sicht. Untypisch für einen SchattenClan-Krieger, doch nicht untypisch für eine alte Katze.
Am Donnerweg lief er wachsam entlang. Nur selten kam ein Monster vorbei, doch jedes Mal blendeten die scharfen, hellen Augen der Biester ihn, sodass sich der Kater ins hohe Gras duckte und die Ohren anlegte. Früher hatte er jeden Tag an diesem Ort patrouilliert, doch damals war er den scharfen Gestank, das helle Licht und das laute Röhren gewohnt gewesen. Jetzt war ihm all das fremd. Ihm standen die Haare im Nackenfell zu Berge, immer dann, wenn ihn die Monster überraschten.
Der Donnerweg war eine gute Grenze gewesen. Kein anderer Clan hatte sich darüber hinweg getraut und keiner hatte den Tunnel, den sie nun auch zur Flucht hatten nehmen müssen, gekannt. Doch wenn Schiefersturm jetzt so darüber nachdachte, kamen ihm Zweifel an seinem alten Territorium auf. War es so klug gewesen, Jungkatzen so oft an den Donnerweg zu schicken?
Schiefersturms Körper schrie nach Wasser und Nahrung, als der Kater die Geruchslinie erreichte. Der WindClan hielt sie noch frisch, doch dass die andere Seite - der SchattenClan - verschwunden war, brach ihm das Herz. Unschlüssig blieb er stehen, dann setzte er eine Grenzmarkierung als Antwort auf die WindClan-Grenze. Sein Geruch war sicherlich verwaschen, doch die Katzen, die ihn erkannten, würden vielleicht verstehen, warum er die Markierung gesetzt hatte.
Der SchattenClan war nicht für immer fort. Eines Tages würde er sich wieder erheben. Da war sich dieser Kater zumindest sicher mit.
In das vertraute Territorium einzutauchen fühlte sich sowohl gut als auch furchtbar an. Es roch nicht mehr nach seinem Clan, und der Gestank des Rauchs war ebenfalls fast weggeweht, doch hier und da in einigen Nischen zu finden. Die Beute war rar, die Stille des Waldes erdrückend, und noch immer trieb es dieses Gebiet nicht dazu an, zu sprießen. Dabei begann die Blattfrische ganz sanft, während er durch den Tunnel schlüpfte und sich in den Kiefernwald begab. Es würde wohl noch eine ganze Weile dauern, bis die ersten grünen Flecken darauf hinwiesen, dass das Feuer besiegt war.
Und doch fühlte Schiefersturm sich wohl. Auch wenn er von Regen begrüßt wurde, trottete er bis auf die Knochen nass umher, fing sich zwei Frösche, die es hier wohl aushielten, und suchte sich in den Kiefern einen Unterschlupf. Die meisten waren vom Feuer ausgehöhlt und tot, einige hielten sich noch wacker, auch wenn ihnen Äste fehlten. Unter einer Wurzel, um die sich Erde und Gestrüpp spannte, kauerte sich der große Kater nieder, und begann, seine Frösche zu fressen.
Ob
Malvenjunges diesen Ort je erleben würde? Der Krieger nagte an einem Froschschenkel, während er an seinen Sohn dachte, der mit
Tulpenlicht im WolkenClan aufwuchs. Unter
Ahornsterns lascher Führung würde das Junge nie erfahren, was es bedeutete, in einem starken Clan zu leben. Ob seine Mutter ihm vom SchattenClan erzählte? Ob sein Sohn diesen je kennenlernen wollte? Es brauchte junge Katzen wie ihn, die sich dazu entschieden, ihren Clan wieder aufzubauen. Doch wer wusste, ob er nicht auch so ein Weichling werden würde, wie der WolkenClan es nun einmal war.
Vielleicht war er ja schon Schüler? Dann würde er auf der Großen Versammlung mehr von diesem Ort sehen, und wenn er einen guten Mentor hatte, würde dieser ihm das Wissen über seine Vergangenheit nicht vorenthalten.
Ob
Sturmlicht je wieder eine Pfote auf dieses Land setzen würde? Oder würde der weiße Kater sich an das Leben im WindClan gewöhnen und den SchattenClan für immer hinter sich lassen? Nachdenklich zuckte der dunkle Kater mit den Ohren.
Dunstschimmer... würde es sie im WindClan halten? Je länger er darüber nachdachte, desto eher glaubte er, dass beide Katzen dort bleiben würden. Sie waren nicht wie er. Sie hatten noch ein Leben voller Möglichkeiten vor sich.
Schiefersturm... Schiefersturm hatte vielleicht nur noch wenige Momente.
Hier konnte keine Katze auf lange Sicht leben. Das wusste selbst der Kater, dem es das Herz brach. Das Territorium musste sich zunächst erholen, damit die Beute wieder einkehrte, und dann erst konnten Katzen folgen. Doch wenigstens war jetzt die Blattleere vorbei. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er beobachtete, wie das Wasser auf den Boden aufprallte, sich in Pfützen sammelte. Die meisten Bäume würden das Wasser nicht aufnehmen können, sie würden entweder auf ewig hier stehen und verrotten, oder von Stürmen und Gewalt zerstört werden. Doch alle Bäume und Pflanzen, die das konnten, würden sich das Wasser nehmen, es aufziehen und durch dieses weiterleben. Neue Pflanzen würden mit all dem Wasser wachsen, Kräuter würden sich hier tummeln und irgendwann würden sie von einem Clan genutzt werden. Daran glaubte der Kater fest.
Wie gerne wäre Schiefersturm ein Teil dieses Clans gewesen. Noch viel lieber hätte er auf dieser Reise Katzen mitgenommen, um den Clan noch heute wieder zu gründen. Doch dafür war der Kater nicht hergekommen.
Er war alt. Tief in seinem Herzen wusste er, dass es zu Ende ging. Der SternenClan rief ihn, und je länger er unter dieser Wurzel lag, desto klarer wurden ihre Stimmen, desto näher kam er seinem Schicksal. Er trauerte um die verlorene Möglichkeit. Er wünschte, dass er den neuen SchattenClan begleiten konnte. Doch er akzeptierte, dass es nicht seine Aufgabe war.
Schiefersturm erhob sich, nachdem die Frösche gefressen waren, auf die Pfoten. Bald war es soweit, doch er weigerte sich, hier zu sterben. Er wollte sich lieber zwischen Gestrüppe begeben, wo er in Ruhe liegen konnte, ohne, dass ihn die Füchse holten. Hätte er
Sturmlicht darum bitten sollen, mit ihm herzukommen, damit dieser ihn begraben konnte? Nein, das wäre zu viel für seinen ehemaligen Schüler gewesen.
Vipernbiss hätte das vielleicht ausgehalten, doch nicht der weiße Kater. Es wäre für ihn auch nicht fair gewesen. Schiefersturm war froh, dass sie sich so hatten verabschieden können, vor Einbruch der Nacht, in Ruhe, mit Würde. Sein ehemaliger Schüler würde ihn nie sterben sehen müssen. Das war gut so, denn der Kater wollte seinem Freund diese Last ersparen.
Zwischen ein paar Erhebungen im Boden, die von stacheligem Gestrüpp umgeben waren, fand Schiefersturm ein geeignetes Grab. Sein dichter Pelz verhinderte, dass er sich schnitt. Vorsichtig zwängte sich der große Kater unter das schützende Grünzeug, denn ein Jäger würde wohl zweimal darüber nachdenken, ob es die zerkratzte Schnauze wert war.
Seufzend sank der dunkle Kater auf die Erde. Nass und schlammig war sie bereits, doch so fühlte sie sich zumindest wie der Sumpf an, den er so geliebt und vermisst hatte. Einige Momente lang starrte er durch das Gestrüpp, blickte die vertrauten Kiefern an.
Dann schloss er die Augen.
Ich bin bereit.Seufzend machte sich der Kater es noch etwas bequemer, dann übermannte ihn eine fast vertraute Müdigkeit. Es war, als würde er einschlafen. Doch nachdem er eingeschlafen war, hoben sich seine Flanken nicht mehr, und sein Körper erschlaffte.
Vielleicht würden Katzen, die in der kommenden Nacht zum Himmel blickten, den leuchtenden Stern sehen, der signalisierte, dass Schiefersturm im SternenClan angekommen war.
Tod von Schiefersturm - Mai 2015 bis Juli 2024