Aus dem Halbdunkel des Baus trat eine Katze hervor, die Geist zuvor noch nicht entdeckt hatte; mit dem dunkelgrauen Fell verschmolz sie regelrecht mit der Umgebung und nur die leuchtend gelben Augen strahlten hinter Geisterwind hervor. ”Du befindest dich im Heilerbau des KürbisClan. Als unser Sprecher ist es meine Aufgabe, dich bei uns willkommen zu heißen. Man nennt mich Finsterlicht”, sprach die Fremde mit ruhiger Stimme und winkte Geist mit der Schwanzspitze zu, bedeutend, ihr zu folgen. Aber sie war doch gerade erst hier im Bau angekommen und die Heilerin hatte so nett gewirkt? Kurz haderte sie mit sich selbst, während mehrere Augenpaare erwartend auf ihrem Pelz lagen und letzten Endes siegte die Neugier, was Finsterlicht ihr zu erzählen hatte. Also ging es wieder hinaus, wo der Mond höher den Himmel hinauf stieg und Geist seufzte leise. Die Party würde sie bestimmt nicht mehr rechtzeitig finden und ihr Kostüm wäre völlig umsonst gewesen.
Stattdessen folgte sie nun der Sprecherin über die Lichtung und biss sich auf die Zunge, um ihre vielzähligen Fragen zu unterdrücken, die beinahe über ihre Lippen sprudelten. Als könnte Finsterlicht es spüren, wandte sie den Kopf zu ihrem Gast um und zuckte amüsiert mit den Schnurrhaaren. ”Du kommst von den Zweibeinern, nicht wahr? Wir, unser Clan, leben eigenständig. Hier im Wald. Wir jagen für uns selbst und das hier”, mit einer ausschweifenden Bewegung der Pfote deutete sie auf alles um sich herum, ”ist unser Lager. Spukstern hast du schon kennengelernt, sein Bau ist dort vorn, die vielen Äste die aneinander angelehnt sind.” Geist folgte der Gestik und erinnerte sich, dass sie den unfreundlichen Kater dort hatte hineingehen sehen. Es sah aus wie eines der Zelte, die ihre Menschen manchmal in den Garten stellten. ”Er ist ziemlich gruselig”, murmelte sie und war überrascht, als Finsterlicht herzlich begann zu lachen. ”Das ist er wohl, wenn man ihn nicht kennt. Einst hatte er neun Leben, viele davon hat er für uns gegeben. Wir sind ihm unheimlich dankbar.” Trotz der Leichtigkeit, mit der sie normalerweise sprach, lag zum Ende hin ein gewisser Ernst in ihrer Stimme. Die Augen von Geist waren tellergroß geworden. Neun Leben? Wow, was würde sie dafür geben, die zu haben! Doch anscheinend hatte Spukstern auch viel Verantwortung und sie beneidete ihn nicht dafür. Viel lieber hatte die kleine Kätzin Spaß an ihrem Leben und geisterte umher, schließlich lernte sie so immer neue Dinge kennen! Und jetzt, wo sie langsam verstand, wo sie war, wirkte es überhaupt nicht mehr so seltsam.

Während sie mit Nachdenken beschäftigt gewesen war, hatte Finsterlicht einige Schritte hinfort gemacht und schnell beeilte sich Geist, der Sprecherin zu folgen; am Besten, ohne dabei über ihr Kostüm zu stolpern, welches ihr wieder einmal in die Quere kam. ”Die meisten erwachsenen Katzen sind Krieger und fast jede junge Katze wird als Schüler dazu ausgebildet. Sie wohnen in ihren eigenen Bauten und werden für den Clan kämpfen und jagen”, kam die beiläufige Erklärung, kaum das Geist aufgeholt hatte und wieder einmal kam sie kaum aus dem Staunen heraus. Einmal hatte sie versucht, eine kleine Maus in ihrem Garten zu fangen und es war schrecklich schief gegangen, sogar ihre Menschen hatten sie dafür ausgelacht! Dieses Geheimnis würde sie für sich behalten, so viel war klar.
”Dies ist die Versammlungshöhle, unsere…”, sprach die Dunkelgraue weiter, doch Geist hörte nicht mehr zu. Vor ihnen purzelten zwei Jungen aus dem Eingang, den Finsterlicht ansteuerte und hinter ihnen schob sich ein heller Kater hinaus, um ihnen nach zu eilen. Ihr Lachen erfüllte die Lichtung und ließ Geist lächeln, während eines von ihnen ”Donnergroll! Komm schon, fang uns!” rief und versuchte, den sanften Pranken ihres Jägers auszuweichen. Als die kleine Familie im Schatten ihres Augenwinkels verschwand, realisierte Geist, dass sie und Finsterlicht wieder vor dem Heilerbau angekommen waren und sie erhaschte gerade noch das Ende des Satzes: ”... und hier leben unsere Seher. Sie können mit den Geistern sprechen und gemeinsam mit den Vertrauten erfüllen sie eine wichtige Funktion im KürbisClan.” Ehrfürchtig blickte Geist erst zum Eingang des Baus und dann hinauf in den Himmel, wo der volle Mond auf sie hinab strahlte, bevor ihre Augen wieder auf Finsterlicht landeten. ”Ihr feiert also auch Halloween? Wie wundervoll! Ich wünschte, ich könnte mit Geistern reden. Vielleicht solltet ihr alle gemeinsam mit mir die Feier suchen gehen”, platzte sie freudig heraus und drehte sich einmal im Kreis. ”Alle können kommen, das wird toll!”
Erst als von ihrem Gegenüber keine Reaktion kam, hielt sie inne, denn die Verwirrung stand dieser förmlich ins Gesicht geschrieben. ”Ich weiß zwar vieles, doch dieses Fest von dem du sprichst, das kenne ich nicht. Erzähl mir davon, Geist!”