--> Waldstück [Grenzen]

Ich kam hinter Mohnstern auf dem Moorland an. Der kühle Wind sträubte mein sandfarbenes Fell und der Schnee der vom Sturm zurückgelassen worden war, lag immer noch ziemlich hoch. Eines meiner Ohren zuckte leicht, als ich neben der Anführerin meines Clans zum Stehen kam. Ich musste nicht lange darüber nachdenken, warum die Kätzin mit mir sprechen wollte, denn ich hatte mir auch keine Mühe gegeben meine manchmal offensichtliche Feindseligkeit zu verbergen, da ich überzeugt davon war, nur zum besten des SchattenClans zu handeln. Wenn der SchattenClan überleben soll, müssen wir auch stark sein, ging es mir durch den Kopf. Aber wenn wir zu verweichlicht sind, können wir unseren Clan nicht beschützen und deswegen hätten wir auch den DonnerClan mehr auseinandertreiben müssen. Wenn wir unsere Kämpfe frühzeitig aufgaben, würden wir unser eigenes Territorium auch nicht lange halten können, so viel war sicher. Und deswegen mussten wir es auch mit Zähnen und Krallen verteidigen. Keine Katze im Wald soll an der Stärke des SchattenClans zweifeln, ging es mir durch den Kopf, als ich den Kopf hob, um Mohnsterns Blick mit einem kühlen Ausdruck in meinen gelben Augen zu erwidern. Nicht einmal Jubelstern soll es auch nur wagen einen einzigen Schritt über unsere Grenze zu machen. Für einen kurzen Moment lang flogen meine Gedanken zu Natternschweif dem Verräter und Mörder, den ich am liebsten umgebracht hätte und meine Schweifspitze zuckte leicht, bevor ich mich wieder Mohnstern zuwandte und darauf wartete, dass die Anführerin etwas sagte.

Mohnstern setzte sich wieder in Bewegung und ich folgte ihr, wobei ich mein Tempo dem der Anführerin so anpasste, dass ich neben ihr laufen konnte. Eine Zeit lang herrschte Schweigen, sodass außer dem Knirschen des Schnees unter unseren Pfoten und dem Rauschen des kalten Windes nichts zu hören war. Der Wind war schwächer geworden, doch reichte es aus, um unsere Felle leicht zu sträubten und meine Schweifspitze begann erneut leicht hin und her zu zucken, während ich darauf wartete, dass Mohnstern das Schweigen brechen würde. Ich war entspannt, doch der Blick in meinen gelben Augen war wie immer kühl. Was sie sich nur vorstellt, dachte ich mit einem Blick auf die Anführerin. Als ob sie sich einer schwächeren Katze unterordnen könnte.

Schattenstern war eine große Anführerin, keine Frage. Und sie brachte so viel mehr an Erfahrung mit als ich im Moment, durchbrach Mohnsterns Stimme schließlich das Schweigen und für einen Augenblick lang fragte ich mich, ob sie einfach keine besseren Worte gefunden hatte und deswegen mit der Gründerin unseres Clans begann. Ich musste ein angespanntes Zischen unterdrücken, als die kleinere Kätzin sagte, dass sie nun die Anführerin des SchattenClans war. Ein Anführer muss sich aber auch wie ein Anführer verhalten, um als ein solcher respektiert zu werden, dachte ich und eines meiner Ohren zuckte leicht. Und eine Katze, die zu weich ist, um den Clan zu beschützen, schwächt uns alle. Doch Mohnstern sprach bereits weiter und so begnügte ich mich damit den Blick aus ihren braunen Augen kühl und ohne jegliche emotionale Regung zu erwiedern, als sie ihren Schritt verlangsamte.
Die Anführerin schien nun zur Sache zu kommen, kam sie doch auf die Situation im Kampf gegen den DonnerClan zu sprechen. Augenblicklich hörte meine Schweifspitze auf sich zu bewegen und ich musste ein leises Zischen unterdrücken, als Mohnstern darauf zu sprechen kam, dass ich ihre Entscheidungen nicht in aller Öffentlichkeit in Frage stellen sollte. Ich fixierte mein Gegenüber mit meinen kühlen gelben Augen und für einen kurzen Moment herrschte Stille, bevor die Anführerin weitersprach. Sie musste wütend über mein Verhalten und meine offensichtliche Feindseligkeit ihr gegenüber sein, jedoch erschien sie mir dennoch ruhig und ich musste zugeben, dass es eine Leistung war, wenn sie in so einer Situation die Kontrolle über ihre Gefühle behalten konnte, wie es für eine Anführerin erforderlich war.
Ich weiß du willst das beste für deinen Clan, aber ein Clan steht und fällt mit dem Anführer und den Anführer schwach wirken zu lassen, lässt den gesamten Clan schwach wirken!, beendete Mohnstern schließlich ihre kleine Rede und für einen Moment war ich mir unsicher, ob ich nicht Wut in den Augen der Kätzin aufblitzen sah, doch ließ sie es sich äußerlich in keiner Weise anmerken. Denk das nächste Mal nach bevor du sprichst! Die Anführerin stieß ein Zischen aus und ich musste mir eingestehen, dass ihre Worte mir imponierten, wo sie sich doch mir gegenüber jetzt wirklich wie eine Anführerin des SchattenClans verhielt, auch wenn ich nach wie vor der Meinung war, dass sie dem DonnerClan gegenüber eine zu weiche Seite gezeigt hatte. Eine starker Anführer konnte es sich nicht leisten, auf Feindseligkeit und Misstrauen in seinem eigenen Clan nicht zu reagieren und in Folge hart durchzugreifen, wenn es sein musste. Dennoch erwiderte ich den Blick aus Mohnsterns braunen Augen kühl, schließlich konnte auch ich mich jetzt unmöglich von meinen Gefühlen leiten lassen. Auch ich besaß schließlich die Kompetenz eines Kriegers und eines Tages würde vielleicht auch ich den SchattenClan zu führen haben und da konnte ich mein Verhalten nicht nach spontanen und einfachen Gefühlen richten, die einmal kamen und im nächsten Moment vielleicht wieder verschwunden waren.
Kurz senkte ich zur Antwort meinen Kopf vor der Anführerin, bevor ich den Blick wieder hob und ihre geradewegs erneut in die Augen blickte. Sie sollte wissen, dass ich alles tat, um den SchattenClan stark zu machen, wie er es vor Schattensterns Tod und dem Kampf gegen den BlutClan gewesen war - bevor wir so viele fähige Krieger verloren hatten. Und bestimmt wusste sie auch bereits, dass ich nur eine fähige Anführerin akzeptieren würde. Eine Anführerin, die den SchattenClan stark machte und sich auch verhielt wie eine Anführerin, so wie Mohnstern es im Augenblick tat. In Ordnung, miaute ich dann mit ruhiger Stimme. Solange du das Wohl des SchattenClans im Blick behältst. Meine Schweifspitze zuckte leicht, während ich der Anführerin weiterhin in die Augen blickte. Meine Worte meinte ich auch. Solange Mohnstern sich weiterhin wie eine Anführerin verhielt, würde ich ihr auch den nötigen Respekt entgegenbringen und sie unter vier Augen auf die Umstände im Clan und ihre Entscheidungen ansprechen, wenn es sein musste. Wenn sie allerdings nicht mehr auf die Stärke des SchattenClans achtete und sich von ihren Gefühlen leiten ließ, würde sie das jedoch nicht mehr von mir verlangen können.

Der Clan steht immer an erster Stelle.
Die letzten Worte der Anführerin drangen klar über das Rauschen des Windes hinweg an mich heran und meine Schweifspitze zuckte leicht. Solange sie diesen Worten treu blieb und den SchattenClan gut führte, würde auch ich mein Wort halten und ihr als Krieger meine Loyalität erweisen. Doch meine Loyalität gegenüber dem Clan würde immer über meiner Loyalität meiner Anführerin gegenüber stehen. Ich würde dafür kämpfen, dass der SchattenClan ein starker Clan blieb und solange Mohnstern ebenfalls auf dieses Ziel hinstrebte, würde ich mich ihr gegenüber loyal verhalten. Der SchattenClan lag in ihren Pfoten aber gerade deswegen war es wichtig, dass sie sich auch wie eine wahre Anführeirn verhielt und den Clan nicht schwächte.
Als die Anführerin sich umwandte und in Richtung Lager davontrabte, folgte ich ihr mit schnellen Schritten. Wie bereits zuvor blieb ich dicht hinter ihr und aufgrund meiner Statur hatte ich auch keine Mühe mit der Kätzin Schritt zu halten. Dennoch spürte ich die Kratzer, die ich aus meinem Kampf mit Natternschweif davongetragen hatte jetzt ein bisschen mehr und für einen kurzen Moment flogen meine Gedanken zurück zu dem Kater, der unseren Vater auf dem Gewissen und schließlich auch noch den SchattenClan verraten hatte. Ja, ich war überzeugt davon, dass er den Tod verdiente und beim nächsten Mal, wenn wir aufeinandertrafen, würde ich sein Leben ganz bestimmt beenden.

--> SchattenClan Lager [SchattenClan Territorium]