Nachtfuß

Krieger | WindClan

Dunkelfeder schien mit jemandem zu sprechen, der nicht da war und ein beklemmendes Gefühl überkam mich. Mir war bewusst gewesen, dass die Kätzin bald sterben würde. Aber sie war auch einmal meine Anführerin gewesen und es fühlte sich nicht richtig an, sie so fragil und verletzlich zu sehen. Natürlich hatte ich gewusst, dass sie sich bald unseren Kriegerahnen anschließen würde und schon bei meinen Besuchen in den letzten Monden hatte ich wahrgenommen, dass sie schwächer geworden war, aber irgendwie war mir bis zu diesem Tag nicht bewusst gewesen, wie kurz dieser Moment bevorstand. Ob ich wirklich die Art von Katze war, die eine ehemalige Anführerin in den letzten Stunden ihres Lebens begleiten sollte? Trotz meiner Zweifel würde es wohl nicht besser sein, die Kätzin jetzt alleine zu lassen. Also, schluckte ich das beklemmende Gefühl herunter und nickte kurz als die Älteste meinen Namen aussprach. Ihre Stimme klang so leise und dünn, neben dem schmerzerfüllten Stöhnen, dass ich mich fragte, ob ich nicht Milanschrei oder Raupenpfote fragen sollte, ob sie nicht ein paar Kräuter bringen könnten, um den Abschied der Kätzin angenehmer zu gestalten. Aber Dunkelfeder wollte wohl nicht einmal mehr das Kaninchen und auch wenn ich es für besser gehalten hätte, wäre die ehemalige Anführerin in den letzten Stunden ihres Lebens satt gewesen, wollte ich mich der alten Kätzin nicht widersetzen. Auch in dieser Situation respektierte ich sie und reagierte mit einem Nicken.
Ich werde sie holen, versprach ich ihr. Halt noch einen Augenblick durch und ich werde sie zu dir bringen.
Eine gewisse Furcht überkam mich, die alte Kätzin könnte sterben, während ich nach ihrer verbleibenden Familie suchte. Es war ein letzter Wunsch, den ich ihr erfüllen wollte, denn auch wenn Sturmstern jetzt offiziell den WindClan anführte und auch ein guter Anführer war, konnte ich die Kätzin nie als jemand anderes sehen als meine Anführerin. Meine Loyalität ihr gegenüber würde bis zum Ende unangefochten bleiben. Ich packte also das Kaninchen und durchquerte damit den Bau in Richtung Adlerstreifs Nest. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass Katzen gerade den Bau betreten hatte, wohl um ihre ehemalige Mentorin zu besuchen, aber ich bemühte mich nicht darüber nachzudenken. Unsere Beziehung lag lang genug zurück und unsere - nein ihre - Jungen waren zu Krieger*innen ernannt worden, ohne ihren Vater zu kennen. Die weiße Kätzin hatte es so gewollt, was auch immer sie dazu getrieben hatte, die Beziehung zwischen uns zu beenden und mich aus der Kinderstube fortzujagen. Wie immer fühlte ich eine gewisse Leere und einen verbleibenden dumpfen Schmerz in meinem Inneren, wenn ich die Kätzin sah und darüber nachdachte. Aber gleichzeitig ... hätte sie sich nicht von mir getrennt ... hätten wir uns nicht getrennt, hätte ich Zitterfluss nie kennengelernt. Vielleicht wäre ich Familienvater unserer gemeinsamen Jungen gewesen, aber ich hätte nie der Vater von den Jungen meiner neuen Gefährtin sein können. Ich hätte den Schmerz gerne verrmieden, aber Abschiede waren immer auch ein Neuanfang und öffneten neue Möglichkeiten. Ich bemühte mich, daran zu denken, wann ich immer ich die Kätzin sah oder daran dachte, was geschehen war.
Könnt ihr ein Stück Frischbeute gebrauchen?, fragte ich die beiden Kätzinnen nach einem respektvollen Nicken. Dunkelfeder möchte es nicht mehr. Ich denke, sie ist bereit, uns bald zu verlassen. Vorsichtig legte ich das Kaninchen neben Adlerstreifs Nest ab, bevor ich mich verabschiedete und den Bau verließ. Erneut überkam mich der Sinn der Eile. Ob die Älteste einen Schmerz dabei fühlte, sich vom Clan und besonders ihrer Familie verabschieden zu müssen? Ob es ein ähnlicher Schmerz war wie der, den sie gefühlt hatte, als sie sich vom Posten der Anführerin zurückgezogen hatte? Mit einem Zucken meines rechten Ohres versuchte ich, den Gedanken zu verscheuchen und sah mich auf der Lichtung um. Steinfall und Fuchspfote fielen mir als erstes ins Auge und ich trabte mit schnellen Schritten zu ihnen hinüber. Wie aber überbrachte eine Katze eine solche Nachricht? Ob sie sich schon mit dem nahenden Tod ihrer Mutter auseinandergesetzt hatten? Ich hatte es in den letzten Monden getan, da ich sie immer wieder besucht hatte, aber wie ging es Dunkelfeders engster Familie?
Guten Morgen Steinfall, begrüßte ich die beiden, als ich bei ihnen zum Stehen kam. Hallo Fuchspfote. Meine Schweifspitze zuckte leicht von einer Seite zur anderen, dann sagte ich es einfach so, wie es war. Eure Mutter möchte noch einmal mit euch sprechen, bevor sie sich unseren Kriegerahnen anschließt, miaute ich. Sie steht an derr Schwelle zum SternenClan. Bitte beeilt euch. Sie liegt im Bau der Ältesten und wird sicherlich nicht mehr lange bei uns bleiben. Mit der Nase deutete ich in die Richtung des Baus. Fehlten noch Lilienpfote und Honigpfote. Ich wandte mich also ab und überquerte die Lichtung mit schnellen Sprüngen, um den Kopf ini den Bau der Schüler zu strecken. Dort erblickte ich Honigpfote, die in ihrem Nest saß. Honigpfote, begrüßte ich die Kätzin knapp, bevor ich direkt zur Sache kam. Dunkelfeder liegt im Sterben. Bitte komm in den Bau der Ältesten. Sie möchte noch einmal mit dir und deinen Geschwistern sprechen, bevor sie zum SternenClan geht.
Fehlte nur noch Lilienpfote, aber den konnte ich im Bau der Schüler nirgendwo entdecken. Ob ich den jungen Kater draußen auf der Lichtung übersehen hatte? Meine Schweifspitze zuckte leicht, als ich aus dem Eingang des Baus zurücktrat. Ich würde mich noch einmal auf der Lichtung nach ihm umsehen, aber bevor ich den Schüler zu Dunkelfeder gebracht hatte, war meine Aufgabe noch nicht erfüllt. Es war vermutlich der letzte Auftrag, den die Kätzin mir jemals geben würde, bevor meine Loyalität vollständig Sturmsterrn gehören wüde. Und ich hatte vor, ihn auch zu ihrer Zufriedenheit durchzuführen.

Nachtfuß

Krieger | WindClan

Ich war aus dem Eingang des Baus der Schüler zurückgetreten und ließ meinen Blick erneut über die Lichtung schweifen. Irgendwo musste Lililenpfote ja sein - zumindest wenn er nicht schon mit seinem Mentor zum Training aufgebrochen war. Im Stillen schickte ich ein Gebet zum SternenClan, dass Dunkelfeder noch durchhalten möge, bis ich auch den jungen Kater gefunden und zu ihr gebracht hatte. Ich hatte selbst gesehen, wie fragil und nahe am Tod die ehemalige Anführerin zu sein schien, aber sie hatte noch einmal mit ihrer Familie sprechen wollen und sie hatte mich gebeten, diese zu holen. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, mit Lilienpfote zurückzukehren, um die alte Kätzin tot vorzufinden. Endlich erblickte ich den Schüler neben Geierschrei. Vielleicht wollten sie wirklich gerade zum Training aufbrechen.
Rasch setzte ich mich in Bewegung und beeilte mich, zu den beiden Katzen hinüberzukommen. Respektvoll senkte ich den Kopf vor dem anderen Krieger, bevor ich mich daran machte, den beiden die Situation zu erklären. Guten Morgen Geierschrei, begrüßte ich die beiden Katzen. Guten Morgen Lilienpfote. Meine Schweifspitze zuckte leicht, als ich fortfuhr. Dunkelfeder wird jeden Augenblick zum SternenClan gehen, erklärte ich dann die Situation. Sie hat mich gebeten, Lilienpfote zu holen. Ich denke, sie möchte sich, von ihrer Familie verabschieden. Kurz deutete ich mit der Nase in Richtung des Baus der Ältesten, bevor ich höflich die Reaktion meiner beiden Clankameraden abwartete.